Nerdfee


Hellblade: Senua’s Sacrifice

Dunkelheit. Um mich herum nichts als Dunkelheit, genau wie in mir drin. Regentropfen prasseln mir hart auf die zarte, geschundene Haut. Mein braunes, langes, geflochtenes Haar trieft vor Blut und Dreck, genau wie die Lumpen auf meiner schmerzenden Haut. Ich stehe in einem Fluss aus Blut. Links und rechts ragen widerliche Hände aus den Felswänden und greifen nach mir. Ich fühle mich betäubt. Ich bin schon so lang in dieser Hölle, dass der verdorbene Anblick des Todes mich nur noch kurz erschauern lässt. Mein Herz rast seit Stunden, ich habe das Gefühl nicht mehr atmen zu können. Mein ganzer Körper ist schwer wie Blei.

„SHE WILL DIE!“

..schreit und lacht eine Stimme in meinem Kopf. Vielleicht hat sie recht.
Ich kralle meine Finger fester um den Griff meines Schwertes, bereit den dunkelsten Gegnern die Stirn zu bieten, welche bereits groß und wild in der Ferne lauern. Mein geschundener Körper pocht und vibriert, ich bin unfähig zu sagen wie stark ich bereits verwundet bin, aber was tut das zur Sache.. Solange ich stehen kann, werde ich nicht aufgeben. Ich muss die Seele meines Liebsten retten.

„SHE CAN‘T DO IT..“

..hallt es verängstigt in meinem Kopf. Dunkelheit, überall diese Dunkelheit die mich sehen kann. Einmal in sie geschaut sieht sie alles was ich bin, alles was ich mir wünsche, alles was ich fürchte und benutzt es gegen mich. Aber ich sehe sie auch und ich werde kämpfen so lang mein Kopf mich klare Gedanken fassen lässt. Sind es denn klare Gedanken?

„AHAHAHA.“

Eine Weile stehe ich noch da, bevor ich mich erinnere warum ich hier bin, bevor ich erneut Mut fassen kann.. Und dann laufe ich wie betäubt weiter in die Hölle.

Wow, just Wow. Ich hatte dieses Spiel überhaupt nicht auf dem Schirm, es ist mir einfach zugeflogen und hat mich vollkommen umgehauen. Ich fand es, startete es und zockte es, im vollkommenen Rausch, durch.

Es gibt keinen schlimmeren Feind als den eigenen Verstand, welcher sich gegen einen stellt und genau das wird hier thematisiert. Es geht um Senua, eine starke Frau, welche sich in der Wikingerzeit aufmacht um die Seele ihres Geliebten aus der Wikingerhölle zu retten. Doch Senua ist nie alleine, in ihrem Kopf hat es viele Stimmen die sie begleiten.

Das Spiel ist absolut linear und ich finde das großartig. Ja, Open World hat mich oft sehr glücklich gemacht, aber ganz ehrlich: In einer Zeit, in der es gefühlt fast nur noch Open World Games hat, bin ich unglaublich dankbar mal wieder ein lineares Single Player Spiel zu zocken. Ich genieße es mich nicht zu verlaufen, sondern straight diese Momente zu leben.

Das Spiel wurde tatsächlich auch mithilfe von Neurowissenschaftlern und Psychosepatienten entwickelt, sodass die Psychosen von Senua beim zocken meisterhaft real in die eigenen Ohren eindringen.

Wobei „zocken“ das falsche Wort ist, ich habe das Spiel viel mehr durchlebt. Im dunklen Wohnzimmer packte mich von der ersten Sekunde an die unglaubliche Atmosphäre und riss mich rein. Ich war wie in Trance. Gänsehaut hat mich von Beginn an gepackt und sich nicht mehr von mir. Ich war mir schnell nicht mehr im Klaren darüber ob die Stimmen die Senua in ihrem Kopf hört nur im Spiel vorkommen oder auch bereits bei mir aufflackern. Es wurde immer düsterer und schwerer. Die Grafik ist wunderschön, aber auch ohne gestochen scharfe Bilder würde das Spiel berauschen. Es ist die Story, es sind die Stimmen im Kopf, es ist diese große Sympathie mit dieser unglaublich starken Frau, die ihr Leben lang von Leid geplagt ist. Man will einfach immer tiefer in die Hölle um sie zu befreien.

Es ist eine der besten Storys die ich je durchgespielt habe und wirklich - ich bin bei Games ein Hallodri (demnach bedeutet das schon was).

Zugegeben ist das Gameplay nicht das allerbeste, aber absolut zufriedenstellend. Ich spielte auf dem Schwierigkeitsgrad „Auto“, dieser passt sich dem Spieler an und nach kurzer Zeit hatte ich Gegner die unglaublich viel Leben und auch ganz viele Freunde hatten.

Ich kann nur sagen es ist wahrlich mehr als Liebe. Es ist eines dieser Spiele über die man lange nachdenkt, die etwas in einem bewegen und verändern. Ein einziger Moment der einen tief berührt und auf ewig in Erinnerung bleibt. Ich schicke mein Herz an das kleine, rund zwanzigköpfige Entwickler Team von Ninja Theory, welches so viel Seele hier hinein gesteckt hat. Ich fühle Euch so sehr. Ich sehe was ihr zeigen wolltet und ich hoffe auf viel mehr solch ehrlicher und anderer Darstellungen.

Ein Meisterwerk ohne Gleichen.