Nerdfee

Das Anderssein

Du schaust mich von oben bis unten skeptisch an und lächelst verächtlich. Den Blick kenne ich bereits, schon als Kind wurde ich so betrachtet. Du hast mich nach Sekunden in eine Schublade gesteckt. Du denkst ich sei nicht sonderlich schlau, Du denkst ich sei es nicht Wert sich mit mir zu unterhalten.

Doch heute tut es mir nicht mehr weh. Heute frage ich mich nicht mehr was mit mir nicht stimmt, warum ich so anders bin und warum ich immer wieder, ohne überhaupt etwas gesagt zu haben, anecke.

Ja, ich sehe anders aus als Du, ich bin der bunte Vogel oder das schwarze Schaf, mit dem Du früher nicht spielen durftest und dem Du heute noch brav die kalte Schulter zeigst. Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht, gell.

Das ist schon okey. Ich lächle von Herzen, denn ich bin Dir nicht böse, dass Du mich verurteilst.

Ich war immer anders..
Damit erfülle ich nun ein Nerd-Klischee (es ist wohl auch nicht das Einzige).

Ich glaube ja, dass man als Nerd geboren wird. Bereits als Kind bin ich in unzähligen Welten versunken. Meine Fantasie war grenzenlos und die Freude an Technik ebenso. Doch während ich in meiner Fantasie glücklich war, eckte ich in der realen Welt überall an. Die anderen Kinder empfanden mich als komisch, die Lehrer empfanden mich als störend und keiner machte ein Geheimnis daraus, dass ich nicht dazu gehörte.

Zugegeben, dass ich als Grundschulkind stark übergewichtig war, ich aus sehr armen Verhältnissen kam und meist auch dreckige Klamotten trug, war nun auch nicht hilfreich dabei einen guten Eindruck zu machen.

Ich versuchte still und leise zu sein um nicht aufzufallen, doch irgendwie hatte ich eine Aura die andere provozierte, weil sie so anders war. Ich versuchte gegen alles anzukämpfen, aber am schlussendlich machte es mich nur noch müder und die Anderen lachten weiter. Ich versuchte es eine Zeit lang mit einer Maske. Diese Maske stand mir ausgezeichnet, ich konnte wirklich gut mit Menschen, wenn ich nur wollte. Es war ziemlich leicht, gemocht zu werden.. ein paar Komplimente und sich anpassen brachte tatsächlich „Freunde“..
Aber nichts Tiefes. Nichts Echtes. So wollte ich nicht sein.

Ich fühlte mich seltsam und wusste nicht wohin. Warum war ich so anders? Und warum ist das vielen ein Dorn im Auge?
Zuerst war das schrecklich. Ich dachte, dass es sich gehört eine Clique zu haben und mit Anderen auszukommen. Ich dachte etwas mit mir stimmt nicht.

Ich gehörte nirgends dazu. Ich wollte auch gar nicht. Lieber versank ich in Büchern, Comics, Filmen, Serien, Kassetten und Video-Spielen. Ich mochte mich nicht mehr verstellen. Ich schaute mir das Treiben an, lachte mal mit, um dann zurück in die herrliche Stille zu gehen.

Als Kind ist es schwierig nicht der Norm zu entsprechen. Natürlich wurde die Haut bei jedem doofen Spruch dicker, bei jedem Mal das man nicht mitspielen durfte oder auf einen Geburtstag nicht eingeladen wurde. Ich wurde beim Sport nicht als Letzte gewählt, sondern gar nicht. Ich war so dick, dass die Lehrer oft sagten ich bräuchte gar nicht mitmachen (Die Logik ist fraglich, aber ich habe sie dankbar nicht in Frage gestellt).

Zuhause war Niemand der mich verstand und so blieb ich verwirrt und mit Allerlei Selbsthass zurück, welchen wirklich kein Kind fühlen sollte. Was macht das aus Einem? Ich denke das kommt auf die Seele an. Oft habe ich geweint und wollte sogar sterben.. der Gedanke alles da draussen nicht mehr ertragen zu müssen, war herrlich.

Aber ich habe es überlebt. Ich bin durch all die dunklen Level dieses Spiels namens Leben gewandert. Ich suchte oft verzweifelt nach halt, doch konnte nichts erkennen. Es hatte so viele Räume und Monster, dass ich mich stetig verlor und keinen Halt fand. Ich fiel hart, aber stand immer wieder auf und irgendwann habe ich das Level geschafft.

Heute bin ich dankbar, dass ich diese Kindheit hatte. Ich bin dankbar für jeden Moment, denn mich hat es zu dem gemacht was ich bin, und damit bin ich zufrieden und im Reinen. Heute schätzen meine Freunde die Dinge an mir, für die ich früher verprügelt, angespuckt, gemobbt und beleidigt worden bin.

Diese ganzen negativen Erfahrungen haben mich ironischerweise zu einem unglaublich positiven Menschen gemacht. Es hatte so lange die düsteren Level, dass ich die hellen wohl mehr zu schätzen weiss und wenn ich mal wieder ins Dunkle falle, dann kenn ich mich dort inzwischen so gut aus, dass ich recht schnell wieder Licht finde. Das Glück ist überall, man muss es nur füttern und ihm die Chance geben gesehen zu werden. Ich schätze das Leben so sehr und ich habe ein unglaublich grosses Mass an Nächstenliebe, wie auch Verständnis für Andere. Wohl weil ich weiss wie es ist, wenn man ausgeschlossen wird oder es einem dreckig geht.

Natürlich gibt es immer wieder Menschen die einem das Gefühl geben wollen falsch zu sein. Recht früh eignete ich mir an, mir Kommentare und Reaktionen von Menschen, die mich nicht kennen, nicht zu Herzen zu nehmen. Ich hatte irgendwann verstanden, dass ich nicht das Problem war. Ich suchte nicht länger, ich hatte mich gefunden. Ich möchte mich nie wieder irgendwo anpassen und mein Leben mit Oberflächlichkeit verschwenden.

Ich bin gerne verrückt. Ich bin gerne anders. Ich bin gerne ich selbst. Ich weiss, dass ich oft drüber bin, wie ein Kind ohne Aufsicht, aber ich lebe einfach ohne Ketten der Gesellschaft.

Ich weiss, dass es viele gibt denen es ähnlich ergangen ist. Umso dankbarer bin ich für die kostbaren Glitzerseelen die mich verzaubern und die, hier und da, immer wieder in mein Leben purzeln. Ich liebe es mit Ihnen zu philosophieren, oder einfach zusammen zu schweigen. Wenn mich ein Mensch in meinem Leben fasziniert, so gehe ich ihm auf den Grund, anstatt viele Freunde zu haben, die ich alle nur oberflächlich kenne.

Wir sind irgendwie alle Aussenseiter und Einzelgänger. Aus den verschiedensten Gründen mit unterschiedlichen Geschichten. Und es ist schön zu wissen, dass man nicht alleine ist und es irgendwie auch nie war. Wir waren alle im gleichen Game, nur mussten wir es wohl selbst lernen zu spielen um uns selbst zu finden. Dennoch: Schade, dass wir uns erst nach der Schule kennenlernten, wir hätten es sicher herrlich zusammen gehabt.

Doch trotz wundervoller Menschen.. Ich brauche meinen Raum. Immer wieder.
Ich bin alleine glücklich und ich allein bin für mein Glück verantwortlich. Ich folge keinem Trend und nicht der Masse, ich folge meinem Herzen.
Es ist mir egal wem ich gefalle oder was Jemand von mir denkt. Ich gehe meinen Weg.

Und wenn ich mir manche meiner Mitmenschen so ansehe, frage ich mich des öfteren ob sie jemals lernen werden ehrlich auszusprechen was sie wollen?! Eingesperrt in einem grauen Käfig aus Alltagstrott, welcher unter viel zu viel Staub begraben liegt, bekommt ihre Seele keine Luft. Angepasst und nicht nachfragend haben sie sich selbst Grenzen gesetzt und früh gelernt sich anzupassen und nicht aufzufallen. Ob sie sich je trauen, zu sein wer sie wirklich sind?! Oder leben sie so lange schon ihre Fassade, dass sie es selbst vergessen haben, nur um dazugehören?! Man muss es in diesem Leben nur mit einem Menschen auf ewig aushalten: Mit sich selbst, drum sollte man seine Seele pflegen und das Herz nicht verhungern lassen.

Ich möchte und würde nie auf Jemanden mit dem Finger zeigen, ich würde nie behaupten, dass ich Jemanden kenne oder die Antwort habe. Es steht mir nicht zu irgendwen zu verurteilen. Wie könnte ich, wo ich seinen Weg nicht gegangen bin. Wie könnte ich, wo ich manchmal mit mir selbst nicht weiter weiss? Aber ja, wenn mich Jemand gern in eine Schublade stecken mag, ist mir das herzlich egal, ich muss mich vor Niemanden beweisen und ich brauche keinen überzeugen wer ich bin.

Ich hab mich oft gefragt wie es ist „dazuzugehören“.. wohl ist es wundervoll einfach, der Weg des Anderssein und sich nicht zu verstellen hingegen ist steinig und schwer.

Aber er war ehrlich und ist es noch und mit einem Lächeln und hier und da einer Glitzerseele, die immer mal wieder einige Schritte mit mir geht, macht er auch sehr viel Freude.