Nerdfee


Liebe Welt, ich bin es. Ich störe auch nicht lang..

Du bist so schnell. Manchmal bist Du mir zu schnell. Versteh mich bitte nicht falsch, ich liebe dass Du Dich immer weiter drehst. Ich liebe dass Du dauernd neue, schnellere, schärfere und bessere Technik raushaust. Ich liebe actionlastige, gestochen scharfe Openworld Games, die so echt aussehen, dass ich gar keinen Urlaub mehr buchen muss, um Länder und Städte zu bewundern.

Aber dann kommt da The Last Guardian und Du, liebe Welt.. Du tust etwas was Du schon lange nicht mehr getan hast: Du bleibst stehen. Du hälst mit mir zusammen den Atem an, unfähig zu glauben dass so etwas bodenständiges und friedliches uns wirklich noch passieren kann. Etwas das ohne großes TamTam und Piew Piew ganz tief geht. Es braucht einfach mal keine Zombies und keine Raumschiffe, kein spritzendes Blut.

Es braucht nur einen Freund.

Mehr als zehn Jahre ist es her, dass ich Shadow of the Colossus auf der PlayStation 2 gespielt habe und das Meisterwerk ICO habe ich vor 14 Jahren gespielt.. Diese Spiele waren das Paradebeispiel für japanische Videogames. Und hier, nach all den Jahren ist es als würde ich nach Hause kommen.

Ich fühle mich an damals erinnert.. als ich mich noch in Spiele und deren magischen, tiefen Geschichten verloren habe. Als es noch nicht nur darum ging von A nach B zu kommen und irgendwelche spielstopfenden Sammelquests zu erledigen sondern der Moment wie auch das Ganze zählte. Als ich all diese schrecklich positionierten Kameras und auch die teilweise grausige Spielsteuerung für unwichtig empfand, als die Grafik belanglos war und ich die ganzen Spiele-Bugs kommentarlos runtergeschluckt habe, denn die Spiele waren es wert geliebt zu werden. Habe ich von dem Spiel geschwärmt, waren Makel kein Thema.. es ging nur um die Magie, die Geschichte und das Gefühl dass Du, liebe Welt, still stehst.

Und ich glaube Du hast selten so still gestanden. Ich erwache als kleiner Junger in einem verwucherten Gemäuer, mein Körper ist übersät mit mysteriösen Zeichen und bei mir liegt das wohl fantastischste Wesen neben dem ich je aufwachen durfte: Ein Chimäre, ein Mischling aus Drache, Fledermaus, Katze, Hund und Greif. Jesses, mei ist es wunderbar. Ich kann jede seiner Federn erkennen, seine Fledermausohren lauschen wachsam und seine scharfen Krallen wirken gefährlich. Aber das wunderbarste ist sein Gesicht. Es hat Emotionen. Tellergrosse Augen schauen skeptisch aber gütig in meine Seele. Meine Beschützerinstinkte werden direkt geweckt und ich habe vom ersten Moment dieses Kribbeln, ich spüre Zuneigung, ich verliebe mich. Das Wesen sieht so mitgenommen aus. Speere stecken in seinem gigantischen Körper und ich will ihm nur helfen. Ich will ihn umarmen bis all seine kaputten Teile wieder heile sind. Ich nähere mich und es jault laut vor Misstrauen. Ich bin ganz vorsichtig und umsichtig. Ich weiß nicht was das Wesen erlebt hat, aber von diesem Moment an will ich dafür Sorgen dass es ihm besser geht, ich will Verantwortung übernehmen und ihm eine Stütze sein, ich will dass es mir vertraut.

Das Wesen ist wie ich, es braucht Zeit. Vertrauen baut man nicht in Sekunden auf und ich will alles tun damit es sieht was ich ihm bin. Ich gehe los und suche ihm Essen, ziehe seine Speere hinaus und immer tiefer knüpfen wir unseren Bund der Freundschaft. Ich gebe ihm den Namen Trico und es beginnt ein Abenteuer, ein Zauber der kein Videospiel mehr ist, sondern eine ergreifende gemeinsame Zeit von der ich nicht lassen kann.

Die Magie ist hier die Kommunikation. Ich kann nicht stumpf Tasten drücken und durch das Spiel hüpfen und das will ich auch nicht. Ich bin auf meinen Freund Trico angewiesen der verspielt ist und Angst hat und oft nicht so möchte wie ich. Er versteht auch manchmal nicht was ich will, er wälzt sich in Pfützen, versperrt mir den Weg und ist abgelenkt wie ein kleines Kind.

Und auch ich bin eben nur ein kleiner Junge, ich habe keine besonderen Fähigkeiten, kein Cape. Da bin nur ich und neben mir mein großer, treuer Freund und zusammen können wir mit viel Geduld alles schaffen.

Die Welt um uns herum ist genau so atemberaubend wie ich es aus Shadow of the Colossos kenne. Es ist verwunschen und anmutig. Teilweise magisch überlichtet. Wir wandern durch Wälder und Höhlen und ich ertappe mich immer wieder dabei wie ich Trico beim feinen entdecken dieser Märchenwelt einfach nur beobachte.

Ich liebe es. Dieses Gefühl dass alles nicht so wichtig ist, denn ich bin verzaubert. Verzaubert von Trico's Perfektion. Er hat eine Seele und ich habe hineingeschaut, ich habe ihr glitzern und funkeln gesehen. Ich habe Tricos Ängste und Träume gespürt und geteilt. Ich habe ihn stundenlang einfach beobachtet und er hat mich verzaubert wie es noch niemals ein virtuelles Wesen schaffte.

Dieses Spiel ist kein Spiel. Es ist real, es ist ein Meilenstein der mich über uns Menschen nachdenken lässt. Den ich nicht einfach ausmache sondern der mich für immer begleiten wird, weil er mich tief berührt hat. Solche Spiele werden heute eigentlich gar nicht mehr gemacht.

Ich zittere nach dem Abspann, Tränen laufen über mein Gesicht. Ich kann es immer noch nicht fassen.

Und plötzlich drehst Du Dich wieder, Welt.
Doch ich sehe Dich nun wieder etwas anders.