Nerdfee


Kein anderer Kriegs-Film hat sich so rücksichtslos in mein Gedächtnis gebrannt wie Full Metal Jacket.

Ich bin nicht zimperlich.

Doch als ich Full Metal Jacket, als junger Teenager, zum ersten Mal sah, da drehte sich mir der Magen um. Wie ein Tetris-Stein, bei dem man sich nicht entscheiden kann wie rum er nun soll.

Ich zappte am Wochenende spät Abends im Fernsehen herum und landete beim gerade startenden Film. Ich sass vor dem Fernseher und erwartete nichts. Ein weiterer Kriegsfilm, ja mei. Aber schon bald sollte mich die schonungslose Wahrheit treffen.

Und diese kam schnell und brutal in Form von Ausbilder Hartman, dieses Mega-Ar***loch. Ich hatte so richtig Angst vor ihm und ich habe ihn gehasst! Er erniedrigte, beleidigte und zerstörte Menschen um seelenlose Raubtiere zu formen, die den Krieg gewinnen und überleben könnten.

Hartmann wurde so phänomenal gespielt, direkt war ich Fan von Schauspieler R. Lee Ermey, der übrigens im realen Leben wirklich mal Drill Sergeant gewesen ist. Und auch der restliche Cast war atemberaubend. Matthew Modine als Private Joker, Vincent D’Onofrio als Private Paula und Adam Balwin war auch dabei. Jeder in diesem Film liefert ab.

Trotz bitteren Ernst und dem angewiderten Gefühl im Bauch, ertappte ich mich anfänglich immer wieder beim Lachen, über den tiefschwarzen Humor der grandiosen Dialoge.

Doch schliesslich blieb mir das Lachen irgendwo im Halse stecken. Gleichsam fasziniert und angeekelt starrte ich, mit offenem Mund, auf den Bildschirm und sah wie mentale und körperliche Schwäche gnadenlos bestraft wurden, bis Soldaten vollständig gebrochen waren. Schmerz und Hemmungen mussten betäubt und entfernt werden. Menschenwürde gab es nicht.

Ich war geschockt, kalter Schweiss zierte mein Gesicht.. Diesem Psychoterror war nicht jeder gewachsen. Ich war es schon vorm Fernseher kaum..

Ich quälte mich begeistert durch den Film, unfähig wegzuschauen. Dieser Moment mit der Seife und dem Handtuch, F*ck, ich habe geweint, so sehr hat mich das schockiert. Diese Menschen wurden zu Tieren und kannten keine Freundschaft mehr.

Und dann kam die bittere Erkenntnis, dass die Hölle der Rekruten-Ausbildung, neben dem Alltag im Krieg, ein romantisches Wintermärchen ist.

Es wurde gekämpft, gelitten, gestorben, gemordet und dann, manchmal.. kam ein Mensch hinter dem Killer zum Vorschein. Der Kontrast zwischen kalten Fliessband erschiessen und sehnsüchtig auf ein Familienfoto schauen, war beängstigend ergreifend.

Auch der Soundtrack ballerte mich weg. Gewalt und Terror im 60s Flair. Von bedrückend über flott, brannte sich die Musik tief und erbarmungslos auf ewig in Herz.

Und als der Film zu Ende war, blieb ich leer zurück. Ich wusste, er war fantastisch.. Doch die gezeigte Wahrheit machte mich Taub und verzweifelt.

Heute ist Full Metal Jacket der Kriegsfilm, den ich am öftesten gesehen habe.

Ich liebe ihn.

Der Film hebt zu keiner Zeit den Zeigefinger, zu keiner Zeit strahlt er Patriotismus aus und auch bedient er sich keines Happy Ends.

Full Metal Jacket nimmt keine rosarote Brille vor die Linse. Es ist eine Höllen-Achterbahnfahrt durch hoffnungslose, blutige Gewalt des Krieges, welche schonungslos dargestellt wird.

Die Intensität des Dargestellten lässt einem Hühnerpelle bekommen, die bleibt.

"Besser Du als Ich."